Das portugiesische Immobilienrecht: Vertrauen Sie in unsere Erfahrung | © Dr. Rathenau & Kollegen

Baurecht

Einleitung

Auf den Erwerb eines Grundstücks folgen häufig umfangreiche Neubau- oder Umbaumaßnahmen. Eine juristische Begutachtung des Einzelfalles ist auch im Baurecht unerlässlich.

Durch eine Reihe von Gesetzesnovellierungen, zuletzt am 28. Juni 2010, versucht der portugiesische Gesetzgeber in den letzten drei Jahren, das komplexe Baurecht transparenter und unbürokratischer zu gestalten. Dies ist ihm nur teilweise gelungen. Das Baurecht bleibt ein regelungsträchtiges Rechtsgebiet mit vielen unbestimmten Vorschriften, welche behördliche Willkür fördern.

Genehmigung und Voranzeige

Nicht alle Baumaßnahmen setzen ein förmliches Genehmigungsverfahren voraus. Diverse Baumaßnahmen sind genehmigungsfrei. Es ist zwischen zwei Verfahrenstypen zu unterscheiden: das Genehmigungsverfahren (licença) und das Voranzeigeverfahren (comunicação prévia).

Bei der Prüfung, ob eine bauliche Maßnahme vorgenommen werden darf, stellen sich zwei Grundfragen:

-      Ist die bauliche Maßnahme überhaupt genehmigungspflichtig, d.h. muss eine Baugenehmigung beantragt werden (Genehmigungsbedürftigkeit)?

-  Ist die bauliche Maßnahme genehmigungsfähig d.h. hat das Baugenehmigungsverfahren Erfolg (Genehmigungsfähigkeit)?

Genehmigungsbedürftigkeit

Genehmigungsfreie Baumaßnahmen

Keiner Genehmigungs- oder Voranzeigepflicht unterfallen grundsätzlich u.a. folgende Maßnahmen:

-       Instandhaltungsmaßnahmen

-      Innenarbeiten, die zu keiner Änderung der Stabilitätsstruktur, der Höhe der  Fassade, der Form der Außenwände oder des Daches des Haus führen

-      der Bau von Grenzmauern bis zu einer Höhe von 1,80 m, wenn diese nicht an den öffentlichen Weg grenzen sowie Stützmauern bis zu einer Höhe von 2,00 m

-     kleine Reparaturarbeiten und solche Baumaßnahmen, die das Hausumfeld betreffen, soweit dadurch keine öffentlichen Flächen betroffen werden

-      der Bau von Freizeiteinrichtungen, die eine geringere Fläche als das Hauptgebäude aufweisen und mit ihm im Zusammenhang stehen

Die Gemeindeverordnungen können die zugelassenen Flächen und Höhen einschränken, aber auch weitere genehmigungs- und anzeigefreie Vorhaben festlegen. Außerdem ist darauf zu achten, dass in Schutzgebieten (reserva agrícola nacional - RAN, reserva ecológica nacional - REN, rede natura 2000, parque natural, etc.) eventuell Sonderbestimmungen existieren, die den genannten allgemeinen Regelungen vorgehen.

Genehmigungsfrei sind auch Gebäude, die vom Staat, insbesondere von den Gemeinden, errichtet werden.

Genehmigungsbedürftige Baumaßnahmen

Dem klassischen Genehmigungsverfahren unterliegen seit dem Inkrafttreten der zehnten Novellierung des Bauverfahrensgesetzes am 28. Juni 2010 nur noch bestimmte im Gesetz beschriebene Baumaßnahmen. Alle genehmigungsbedürftigen Baumaßnahmen, für die nicht ausdrücklich ein Genehmigungsverfahren durchlaufen werden muss, unterliegen dem Voranzeigeverfahren.

 Genehmigung

Unter die klassische Genehmigungspflicht fallen:

 -   die Errichtung von Infrastruktur (Wasser- und Abwassernetz, Energieversorgung sowie Straßen, u.a.), die urbanen Zonen oder bestimmten Gebäuden dienen sollen (obras de urbanização)

-     der Neubau, die Bauänderung oder die Erweiterung von Gebäuden, die weder Teil einer Wohnparzellensiedlung sind noch von einem detaillierten Bebauungsplan (plano de pormenor - PP) erfasst werden

-     der Wiederaufbau, die Vergrößerung, die Umgestaltung, die Erhaltung oder die Beseitigung von geschützten Gebäuden oder solchen Gebäuden, die unter Schutz gestellt werden sollen

-     der Wiederaufbau von Gebäuden ohne Erhaltung der Außenfassaden

Im Genehmigungsverfahren auf Erteilung der Baugenehmigung besteht der Grundsatz darin, dass die Gemeinde über den Architekturplan (projecto de arquitectura) innerhalb von 30 Tagen nach dem Eingang der vollständigen Unterlagen oder der Stellungnahme der außergemeindlichen Behörde zu entscheiden hat. Innerhalb von 6 Monaten nach der Genehmigung des Architekturplanes, hat der Bauherr die Ingenieurpläne (projectos de especialidade, wie Statik, Telefon, Strom, Wasser etc.) einzureichen, sollte er dies nicht bereits zusammen mit dem Architekturplan getan haben. Je nachdem, welches Vorhaben geplant ist, hat die Baugenehmigungsbehörde innerhalb einer Frist zwischen 30 und 45 Tagen über den Genehmigungsantrag zu entscheiden. Bei den meisten Bauten beträgt die Entscheidungsfrist 30 Tage ab Eingang der vollständigen Bauunterlagen, dem Eingang der Stellungnahme der außergemeindlichen Behörde oder dem Ablauf der Frist, die der außergemeindlichen Behörde zum Erlass ihrer Stellungnahme zusteht. Werden im Genehmigungsverfahren die Fristen von der Gemeinde nicht eingehalten, hat dies grundsätzlich nicht zur Folge, dass eine stillschweigende Baugenehmigung vorliegt. Vielmehr ist dann der Weg einer gerichtlichen Klage auf Erteilung der Genehmigung eröffnet.

Die Baufreigabe am Ende des Genehmigungsverfahrens wird durch den Baufreigabeschein (alvará de licença de construção) bescheinigt.

Voranzeige

Alle genehmigungsbedürftigen Baumaßnahmen, für die nicht ausdrücklich ein Genehmigungsverfahren durchlaufen werden muss, unterliegen dem Voranzeigeverfahren (comunicação prévia) als Auffangtatbestand.

Ausdrücklich unterliegen dem Voranzeigeverfahren bauliche Maßnahmen, die vorher dem klassischen Baugenehmigungsverfahren unterworfen waren, z.B. Baumaßnahmen in Naturschutzgebieten (reserva ecológica nacional -REN) oder im europäischen Naturnetz 2000 (rede natura 2000), die einen großen Teil des portugiesischen Territoriums ausmachen. Außerdem fallen unter das Voranzeigeverfahren seit dem 28. Juni 2010 Änderungen der Nutzung an Gebäuden, die genehmigungsbedürftige Baumaßnahmen erfordern.

Ferner unterliegen diesem Verfahren folgende bodenrechtsrelevante Maßnahmen:

-     der Wiederaufbau von Gebäuden unter Erhaltung der Außenwände

-     die Errichtung von Gebäuden in bestimmten Siedlungsgebieten, die als Baufläche ausgewiesen sind

-     der Bau, die Änderung oder die Vergrößerung von Gebäuden, die sich in urbanen Zonen befinden, den Bebauungsplan einhalten und die Höhe der anderen umliegenden Gebäude nicht überschreiten

-     der Bau von Schwimmbädern, die zu Hauptgebäuden gehören

Im Voranzeigeverfahren genügt die Anzeige des Beginns mit dem Bauvorhaben. Der Antrag muss die gesetzlich vorgesehen Bauunterlagen, wie Baupläne, Lagepläne und Grundstücksdokumente, enthalten. Die Unterlagen werden in der Praxis vom beauftragten Architekten oder Ingenieur zusammengetragen. Erhebt die Gemeinde innerhalb von 20 Tagen nach Eingang der Anzeige keine Einwände gegen das Vorhaben, gilt es stillschweigend als genehmigt. Haben außergemeindliche Behörden, z.B. Naturschutzbehörden, ein Mitentscheidungsrecht, beträgt die erwähnte Frist 60 Tage.

Bauvorbescheid

Das portugiesische Baurecht sieht die Möglichkeit des Bauherrn vor, einen Bauvorbescheid (informação prévia) zu beantragen. Dabei handelt es sich um eine rechtsverbindliche Auskunft der Baugenehmigungsbehörde über die Genehmigungsfähigkeit eines Bauvorhabens. Der Bauvorbescheid erfasst regelmäßig nur bestimmte Teilbereiche der Genehmigungsfähigkeit, wie z.B. die Zulässigkeit der Maßnahme gemäß dem geltenden Bauplanungsrecht.

Die Beantragung eines Bauvorbescheides ist insbesondere dann zweckmäßig, wenn die Genehmigungsfähigkeit ungewiss ist. Im Gegensatz zum gewöhnlichen Bauantrag müssen für einen Bauvorbescheid nämlich noch nicht alle zeit- und kostenintensive Architekten- und Ingenieurpläne eingereicht werden. Der positive Bauvorbescheid bindet die Genehmigungsbehörde ein Jahr lang nach dessen Erlass. Innerhalb dieses Jahres sollte demnach der Antrag auf Erlass der Baugenehmigung mit den dazu gehörigen Bauplänen gestellt werden. Eine Ausnahme der Bindungswirkung besteht für Gesetzesänderungen in diesem Zeitraum. Eine Verlängerung der Frist der Gültigkeit des Bauvorbescheids sieht das Gesetz unter bestimmten Voraussetzungen vor.

Im Verfahren auf Erlass eines Bauvorbescheides besteht der Grundsatz darin, dass die Entscheidungsfrist für den Erlass des Vorbescheides zwischen 20 und 30 Tage nach Eingang der vollständigen Unterlagen beträgt. Müssen außergemeindliche Behörden um Stellungnahme ersucht werden (z. B. Naturschutzbehörde, Tourismusbehörde), beginnt die Frist erst mit dem Erhalt der letzten behördlichen Stellungnahme an zu laufen. Wann die außergemeindlichen Behörden ihre Stellungnahme abgeben müssen, ob deren Entscheidung für das Gemeindeamt überhaupt bindend ist und welche Folgen die Nichteinhaltung der Fristen hat, hängt vom konkreten Fall ab.

Genehmigungsfähigkeit

Das Vorhaben ist genehmigungsfähig, wenn es im Einklang mit dem Bauplanungs- und Bauordnungsrecht sowie mit dem sonstigen öffentlichen Recht steht.

Bauordnungsrecht

Zum einen existieren bauordnungsrechtliche Regelungen, welche die zulässigen Abstandsflächen, Höhen, Größen, Baumaterialien usw. festlegen. Die Gemeinden können unterschiedliche Regelungen vorsehen. Eine Küche muss z.B. in der Regel eine Mindestgröße von 4 m² und ein Wohnhaus mindestens einen Raum mit 12 m² haben. Es handelt sich hierbei um technische Voraussetzungen.

 Bauplanungsrecht

Zum anderen sind die Regeln des Bauplanungsrechts einzuhalten. Besondere Bedeutung kommt den Bebauungs- und Raumordnungsplänen zu. Es ist zwischen drei Bereichen zu unterscheiden: nationaler (Portugal), regionaler (z.B. Algarve) und kommunaler Bereich (z.B. Gemeinde Lagos).

Den leitenden Kommunalplänen (planos directores municipais - PDM) der gemeindlichen Ebene kommt in der Praxis große Bedeutung zu, weil viele Gemeinden über keine Bebauungspläne und detaillierten Nutzungspläne verfügen. Der leitende Kommunalplan teilt das Gemeindegebiet in verschiedene Flächenbereiche ein. Aus ihm geht in der Regel hervor, wie groß die bebaubare Grundstücksfläche ist und er kann Einzelheiten, z.B. die zulässige Bettenzahl bei touristischen Vorhaben, vorsehen.

 Nutzungserlaubnis

Nach der Fertigstellung des Baus ist ein Antrag auf Erteilung der Nutzungserlaubnis zu stellen (autorização de utilização), die wiederum durch einen Erlaubnisschein (alvará de autorização de utilização) bestätigt wird. Dieser Erlaubnisschein bestätigt die Konformität des Gebäudes mit dem genehmigten Bauprojekt. Über die Nutzungsbescheinigung können Sie sich im Rahmen der Übersicht zu den Unterlagen weitergehend informieren.